Der Untergrund im Lohsepark in der Hamburger HafenCity ist auf der Karte für Kampfmittelverdachtsflächen komplett rot gefärbt. Wo immer hier gebohrt wird, könnte man auf Munition stoßen. Deshalb gelten hier für das Setzen von 300 Gründungspfählen für ein neues Parkhaus besondere Vorsichtsmaßnahmen: Vor jeder Pfahlsetzung erfolgt zuerst eine Sondierungsbohrung, um im Boden nicht auf unerwartete Hindernisse treffen. Damit alle Beschäftigten auf der Baustelle dabei den Überblick behalten, nutzt das Team eine neue Plattform für den Tiefbau: die SPT4Site.
Die Anwendung wurde auf Basis der konzernweiten IRIS-Plattform vom Digitalisierungsteam der ZÜBLIN Spezialtiefbau GmbH entwickelt. Bauleiterinnen und -leiter können in einem 3D-Modell anhand unterschiedlicher Färbungen erkennen, wo der Untergrund bereits geprüft ist, welche Bohrlöcher fertig und wo Gründungspfähle gesetzt sind oder wie viele dieser Elemente aktuell auf der Baustelle lagern.
Cloudbasiert und logisch verknüpft
Die Züblin Spezialtiefbau GmbH hat mit der SPT4Site eine umfassende und innovative webbasierte Plattform entwickelt, über die Projektdaten nach den spezifischen Bedürfnissen der Beteiligten verwaltet, ausgewertet und visualisiert werden können. Hauptziele waren ein Dokumentationssystem, ein optimierter Zugang zu Projektinformationen für verschiedene Benutzerinnen und Benutzer, die Verknüpfung von Projektdaten und Anwendungsfällen, die Verwaltung von Daten während des gesamten Projektlebenszyklus sowie die Möglichkeit, den Baufortschritt im BIM-Modell in Echtzeit zu verfolgen. Entwürfe, 2D-Pläne, Fotos und Kommentare, den Projekten zugeordnete Ressourcen wie Personal, Geräte, Produktions- und Maschinendaten werden dafür in der Cloud gespeichert und logisch miteinander verknüpft.
Das Modul Gerätedaten der SPT4Site lässt sich zum Beispiel mit anderen Modulen wie Personal- und Geräte-Disposition verbinden, außerdem verlinkt es sich in vordefinierten Intervallen mit dem Server der Betreiber und lädt, filtert und sortiert diese Daten automatisch nach Projektname, Anlagenidentifikationsnummer und Name der gebauten Elemente. Alle verfügbaren Informationen werden als Zeitreihen strukturiert, in Diagrammen dargestellt und ausgewertet.
Die Plattform steht allen im Bauprozess involvierten Gewerken offen. Die User können Pre-Set-Filter auswählen und das Angebot auf ihre spezifischen Bedürfnisse anpassen. In Zukunft soll die Plattform noch automatisierter arbeiten, zum Feierabend beispielsweise E-Mails mit To-do-Listen für den kommenden Tag oder dem aktuellen Baufortschritt versenden.

Drei Bauleiter berichten über ihre Erfahrungen mit dem neuen Tool.
Bauleiter Sebastian Kock überwacht im Lohsepark in der Hamburger HafenCity das Setzen von 300 Gründungspfählen für ein neues Parkhaus.
„Auf der SPT4Site sieht man auf einen Blick, wo bereits sondiert wurde und wo das Team weiterarbeiten darf. Diese Informationen werden außerdem für die Auftraggeberschaft verlässlich dokumentiert. Außerdem können wir jedem einzelnen Element Dateien zuordnen, zum Beispiel Baupläne, Fotos, Kommentare und andere Infos. Früher lief das noch ganz anders: „Da haben wir im Büro auf in A0 ausgedruckten Bauplänen den Status jeder Gründung mit bunten Textmarkern händisch kenntlich gemacht. Hatte man sich mal vertan, musste man den Plan erneut ausdrucken und alle Informationen nachtragen.“
Armin Reinartz, Bauleiter beim Projekt Flughafentunnel in Stuttgart, prüft auf SPT4Site die täglichen Bohrleistungen und gleicht Soll- und Ist-Werte mit der Planung ab.
„Bisher mussten die Soll-Daten für alle Gewerke aus Bauplänen zusammengesucht und für jedes Detail ein Feldbuch von Hand ausgefüllt werden. Jetzt sind alle Soll-Daten in einer Datenbank gespeichert und über eine App auf dem Tablet einsehbar. Auf der Baustelle tragen die Kolleginnen und Kollegen laufend aktuelle Informationen ein, der Baufortschritt lässt sich minutiös verfolgen, mit den Plänen vergleichen und niemand muss zur Nachbearbeitung noch Daten übertragen. Ich sehe auch, ob Material zu lange auf der Baustelle liegt, eine Lieferung fehlt, welche Mengen zu welchem Zeitpunkt verbaut wurden oder ob Beton nachbestellt werden muss. Das erleichtert uns die Kalkulation, den Kostenüberblick und die Organisation der Baustelle, weil wir vorausschauender planen können. So vermeiden wir Fehler, vor allem aber gewinnen wir Zeit – und das ist im Bauwesen das wertvollste Gut.“
Johannes Oldeweme betreut eine Baustelle am Klosterwall in Hamburg. Er nutzt auf SPT4Site das Dashboard für die Rechnungslegung.
„Wir sehen mit einem Klick, welcher prozentuale Anteil an der Gesamtleistung aktuell ausgeführt ist. Bisher zählten wir aufwendig Bohrlöcher und Pfähle in den Plänen, um die Rechnungen für die Abschlagszahlungen zu erstellen. Auch im Auftrag nicht erfasste Sonderleistungen lassen sich über die Plattform einfach dokumentieren. Wenn wir beim Bohren auf einen Findling stoßen, können wir diesem Element eine Dokumentation zuordnen, wie lange an der Entfernung aus dem Baugrund gearbeitet wurde und dies auch mit Fotos belegen. Wir lassen sich auch aktuelle Daten aus den digitalen Protokollen in das BIM-Modell transferieren und auf diese Weise mit sämtlichen Planungsdaten der Bohrungen vergleichen. Bisher waren unsere Büros oft mit Bauplänen tapeziert, an denen Kreuze und Häkchen in verschiedenen Farben gesetzt werden. Mitunter war eine Person mit nichts anderem beschäftigt, als Protokolle zu schreiben. Diese Aufgaben soll künftig die SPT4Site übernehmen und so die Abläufe auf den Baustellen deutlich optimieren. Wir können jetzt noch effizienter just-in-time liefern lassen: Große Bauteile wie Bewährungskörbe können wir aus Platzgründen nicht auf der Baustelle lagern, die müssen nach der Lieferung gleich verbaut werden. Diese Logistik gelingt durch die digitale Planung viel genauer. Außerdem erfolgt eine digitale Eingangskontrolle für jedes Element, die Zuständigen vor Ort sehen für jedes Bauteil sofort, ob es eingebaut werden kann.“