Welches Ziel verfolgt STRABAG mit dem Aufbau eines digitalen Einkaufsportals?
Germo Schroebler: Es gibt mehrere Metaziele, eins ist ganz sicher Effizienz. Wir haben noch immer viel zu viele händische Prozesse mit entsprechend hohem Aufwand und Fehleranfälligkeit.
Warum?
Weil beispielsweise Ausschreibungen und zugehörige Angebote immer sehr individuell aufgesetzt werden, das liegt in der Natur der Sache. Wir sind überzeugt, dass eine portalbasierte Zusammenarbeit mit unseren Lieferantinnen und Lieferanten die Effizienz deutlich erhöhen wird.
Woran denken Sie dabei konkret?
Wir wollen vorvertragliche Regelungen wie Anfragen, Angebotslegungen, technische und vertragliche Klärung sowie die Beauftragung digital abbilden. Der logische zweite Schritt ist dann, auch die Bauabwicklung sowie strukturierte Bestellvorgänge und Abrufe dafür online zu ermöglichen. Aber auch das wäre erst der Anfang.
Worum geht es noch?
Wir wollen nicht nur effizientere, sondern einfachere und weniger Prozesse. Redundante Arbeitsschritte, die unseren Fachleuten unnötig Zeit rauben, wollen wir reduzieren, bestenfalls automatisieren, außerdem Mehrfachablagen von Dokumenten vermeiden – das bringt uns zu einem weiteren wichtigen Ziel der Digitalisierung des Einkaufs: Transparenz!
Die lückenlose Gesamtsicht auf den Einkaufsprozess?
Wir bilden alle Aktivitäten, Dokumente und Prozesse auf einem Portal ab und erhalten so schneller und einfacher einen Gesamtüberblick über Verträge, Bestellungen, unsere Lieferanten und deren Status. Auch den zuliefernden Firmen ermöglicht das Portal einen besseren Überblick über ihre Angebote, Verträge, Bescheinigungen – so schaffen wir eine Transparenz vom Angebotsverfahren bis hin zur Vertragsabwicklung.
Damit wird die Digitalisierung des Einkaufs auch ein Schlüssel für die Digitalisierung des Bauens?
Das gilt aber nur, wenn alle Aktivitäten ineinandergreifen, wir die Prozesse verzahnen. Dann sind Einkauf und Planung auf digitaler Ebene miteinander verbunden, was immer weitere Ausbaustufen ermöglicht. Das erfordert aber einheitliche Leistungsbeschreibungen und deren Parametrisierung in standardisierte technische Attribute. Es geht nicht nur um die Verarbeitung von Daten wie Preis und Menge, sondern auch um Soll-Ist-Vergleiche der technischen Leistung, zum Beispiel für automatisch erstellte Technikpreisspiegel, die Verzahnung digitaler Verträge, modellbasierte Materialabrufe sowie den papierlosen Bestell- und Zahlungsprozess.
Was reizt Sie persönlich an diesem Projekt?
Ich finde die Vorstellung faszinierend, dass wir überall dort Transparenz erreichen können, wo wir sie brauchen. Dass wir über das Portal und Standards im Einkauf strukturierte Daten erhalten, die uns helfen, ein großes Ziel zu erreichen: einen strategischen Einkauf.
Was verstehen Sie unter strategischem Einkauf?
Bisher kaufen wir hauptsächlich projektbezogen, das machen wir auch richtig gut. Aber stellen Sie sich vor, welche Möglichkeiten sich im Einkauf bieten, wenn wir über alle Bereiche und Projekte hinweg die notwendigen Informationen haben, um z. B. Bedarfe zu bündeln oder den Lieferfirmen bei strategischen Verhandlungen belastbare Mengenprognosen anzubieten.
Aber der Einkauf ist ein hochkomplexes und auch individuelles System, wie sehr lässt sich das überhaupt standardisieren und vereinheitlichen?
Darin liegt die Herausforderung. Wir müssen aber den gesamten Bauablauf in maschinell verarbeitbare Prozesse überführen und digital abbilden. Erst damit ermöglichen wir, dass ein Polier sein Material über eine Bestell-App abruft – und auch der Prozess danach digital abläuft. Den Dialog mit unseren Lieferanten, den fachlichen Austausch und den Aufbau von Vertrauen – das alles wird es trotz Digitalisierung immer brauchen.
Auf welche technische Lösung bauen Sie bei der Umsetzung?
Wir haben uns früh entschieden, nicht selbst zu programmieren. Wir setzen auf eine Bestin-Class-Lösung, angepasst an unsere Bedürfnisse. Wir orientieren uns dabei auch an etablierten Best-Practice-Prozessen aus anderen Branchen.
Was macht Sie optimistisch, dass das Ziel einer digitalen Einkaufsplattform für STRABAG erreicht wird?
Wir haben viel Know-how im Konzern, tiefes technisches Wissen und breite Kenntnis über die zugehörigen Produkte und Lieferantenmärkte sowie Marktzugänge durch Geschäftsbeziehungen mit unseren Lieferanten. Wir sind wirtschaftlich gesund, finanzstark und können in unsere Zukunft investieren. Nicht zuletzt verfügen wir mit dem Zentralbereich SID über eine Einheit, die auch solche großen, konzernweiten Entwicklungsprojekte voranbringen kann.
Germo Schroebler, Head of Digital Procurement, leitet die digitale Transformation des Einkaufs bei STRABAG. Sein Ziel ist die größtmögliche Standardisierung aller Prozesse – als Voraussetzung dafür, das Ziel des vollständig digitalen Einkaufs 4.0 zu erreichen.
DIE DIGITALE EINKAUFSPLATTFORM wird in zwei Etappen geplant:
SPS
Ziel: Entwicklung eines durchgängigen digitalen Einkaufsprozesses bis zum zweiten Halbjahr 2022. Der Fokus liegt inhaltlich auf der Dokumentenebene, geografisch sind die Märkte Deutschland, Österreich, Mittel- und Osteuropa avisiert.
WEITERE AUSBAUSTUFEN
In weiteren Projekten werden zusätzliche Applikationen entwickelt und Fachabteilungen miteinander verzahnt.