Die papierlose Baustelle

Bei der Erneuerung des Wasserkraftwerks Schils im schweizerischen Flums gelangen sämtliche Pläne direkt auf die Tablets der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das Bauprojekt beweist die Praxistauglichkeit von OpenBIM2Field-Technologien.

Auf der Baustelle im schweizerischen Flums sieht man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig zu ihren iPads greifen. Ein Polier kann sich zum Beispiel anhand eines 3D-Modells orientieren: Dazu greift er sogenannte Absteckpunkte im Modell ab; eine Bluetooth-Bridge übermittelt diese Punkte an elektronische Tachymeter, die per Laser deren exakte Lage auf der Baustelle anzeigen. Die entsprechenden Ansichten kann sich der Polier im 3D-Modell dann ganz nach Bedarf zurechtdrehen, abschneiden oder vergrößern – mit einem üblichen 2D-Plan auf Papier geht das nicht.

Die zuständige Planerfirma Pöyry (heute AFRY) hatte die Idee, die Ausführungspläne für die Wasserkraftwerkserneuerung in Schils nur im digitalen 3D-Modell zu liefern und damit das Projekt der papierlosen Baustelle initiiert. „Gemeinsam mit dem Bauherrn SAK haben wir entschieden, diesen Pilotversuch zu wagen“, erinnert sich Stijepan Ljubicic, der zuständige BIM-Manager. Im Mai 2019 erhielt die STRABAG AG von der SAK den Zuschlag für das Baulos 1 im Umfang von 2,5 Millionen Franken – und kaufte drei iPads.

3D-Modelle über die Cloud auf das Tablet

In der Vorbereitung mussten zunächst Prozesse neu aufgesetzt werden: Aushub, Absteckung, Schalungs- und Bewehrungsarbeiten werden von allen Gewerken im offenen IFC-Austauschstandard (Industry Foundation Classes) ausgeführt. Die 3D-Modelle gelangen dabei über die Cloud direkt auf die Tablets der Mitarbeitenden. Von der Bauleitung und Planung vorgenommene Planänderungen sind im Modell sofort sichtbar.

Zum Vergleich: Mit den üblichen gedruckten 2D-Plänen dauert es mehrere Tage, bis Planänderungen eingearbeitet und dann per Post erneut zur Baustelle geschickt werden. Entsprechend fasziniert äußert sich Ljubicic über die papierlose Baustelle:

„Das Projekt zeigt, wie weit wir schon sind und bildet die optimale Grundlage für unsere zukünftige STRABAG BIM 5D®– Arbeitsweise, obwohl wir ansonsten erst ganz am Anfang stehen. Die großen technologischen Umwälzungen haben wir ja noch gar nicht angefasst: Blockchain, künstliche Intelligenz, 3D-Druck – für alle diese Zukunftstechnologien bildet die papierlose Baustelle das digitale Fundament. Die Durchgängigkeit von digitalen – also papierlosen – Daten ist Voraussetzung für alles, was in der Zukunft kommt.“

Digitale Daten statt Papier
Sehen Sie hier wie das Arbeiten mit digitalen Daten auf der Baustelle funktioniert.

„BIM2Field gehört die Zukunft.“

Jonas Aschwanden, technischer Bereichsleiter, über die Zukunftsaussichten des papierlosen Arbeitens auf der Baustelle.

Herr Jonas Aschwanden, der Pilotversuch zur papierlosen Baustelle in Flums lief erfolgreich. Glauben Sie, dass sich OpenBIM2Field in der Praxis durchsetzen kann?

Jonas Aschwanden: Ich denke, dass wir die OpenBIM2Field Technologie, also die papierlose Baustelle, künftig noch häufiger einsetzen. Richtig interessant wird es aber erst, wenn wir die vierte und fünfte BIM-Dimension implementieren, also die Kosten und die Termine mit einbeziehen. Die ersten Pilotprojekte dazu laufen bereits auf kleineren Baustellen. Ziel muss es sein, dass OpenBIM2Field den Beschäftigten auf der Baustelle plausibel macht, wie viel Zeit sie für einen Arbeitsschritt haben.

Was hat Sie am Projekt im Flums besonders beeindruckt?

Der technologische Erfolg natürlich, aber auch die Tatsache, dass alle Beteiligten so gut mitgezogen haben. Es gab keine Vorbehalte: ob alt oder jung – alle haben sich auf das Projekt eingelassen.

Vor welchen Herausforderungen steht der Konzern, um diese Arbeitsweise in der Breite anzuwenden?

Aktuell liegt das nötige Know-how noch bei zu wenigen Leuten. Dabei ermöglicht die technologische Entwicklung eigentlich längst das ausschließlich papierlose Arbeiten allein mit digitalen Daten.

Und wird dieser Schritt gelingen?

BIM2Field gehört die Zukunft. Das ist meiner Meinung nach unbestritten, vor allem, weil es der Schlüssel dazu sein kann, die Kosten besser in den Griff zu bekommen. Wenn uns das dank der papierlosen Baustelle gelingt, wird OpenBIM2Field zum Standard in der Industrie. Bei dieser Entwicklung muss STRABAG ganz vorn dabei sein. In Flums konnten wir zeigen, dass wir das können.

Jonas Aschwanden arbeitet bei der STRABAG AG als technischer Bereichsleiter im Bereich Ingenieur- und Tiefbau im Gebiet Zentralschweiz und Bündner Oberland.

Hard- und Softwareanwendung für die papierlose Baustelle:

Briscad > Topcon 3D-Office > Topcon Baggersteuerung

BIM 360 Glue > Autodesk Navisworks > BIM360Layout mit Topcon Totalstation

Autodesk Revit > Trimble Connect

Trimble Connect > Abnahme nachgelagerter Prozess in BIM360Field