Wer effizient bauen will, braucht ein System – um ähnliche Projekte nicht immer wieder von Grund auf neu zu planen.

Hinter dem Kürzel SPB für „Systemisches Planen und Bauen“ steht das Ansinnen, die Plannungszeit von Bauvorhaben durch eine vollständige Automatisierung maximal zu reduzieren. Möglich wird dies durch smarte Algorithmen, die Auswertung von Daten aus mehr als einer Million Grundrissplanungen sowie die Berücksichtigung von Parametern des aktuellen Projekts – auf diese Weise können Grundrissplanungen quasi in Echtzeit bis ins Detail errechnet werden. Und, wie sich bald herausstellte, kann dieser Ansatz noch sehr viel mehr.

Die Plattform ist ursprünglich für ein Wohnungsbauvolumen von 100 Mio. € ausgelegt und kann eine Pionierleistung für die gesamte Baubranche werden. Sie ermöglicht z. B. Immobilientwicklerinnen und -entwicklern, noch auf der grünen Wiese eine erste Kostenkalkulation durchzuführen. Für ZÜBLIN ist diese Entwicklung erst der Anfang. Das Tor zum Bauen mit Daten wurde weit aufgestoßen – und nun stellt sich die Systemfrage: Wie lässt sich ein vollständig digitaler Bauprozess von der Planung bis zum Bauen darstellen? Wie können Daten sinnvoll gewonnen, hinterlegt und analysiert werden?

In kurzer Zeit vom Fußabdruck über ein linienbasiertes Konzeptmodell zum detaillierten BIM-Modell – mit der Möglichkeit, jederzeit einzugreifen und das Modell sowie die Planung anzupassen

Für die Bereichsleiter Till Ackers und Oliver Meißner und ihr Team des ZÜBLIN-Bereichs Brandenburg/Sachsen-Anhalt reicht das Potenzial hinter dieser Innovation weiter als gedacht: „Wir wollten anfangs nur eine effiziente Lösung, um das Planen zu beschleunigen“, sagt Ackers. Denn wer in Zukunft noch effizienter bauen will, müsse laut Meißner „früher an die Planung ran“. Herausgekommen ist dann aber ein systemischer Ansatz, der auch das gesamte Bauen in einem vollständig digitalen Prozess abbilden kann, Daten erzeugt und die Effizienz ganzheitlich bis zur Fertigstellung steigert.

Drei Partner

Geboren wurde die Idee im Jahr 2018. Mit dem Berliner Immobilienentwickler DIEAG beginnt ZÜBLIN nahe der Hauptstadt das Projekt Sonnenhöfe. Aber es sollen noch viel mehr Bauvorhaben dieser Art werden – die Frage der DIEAG an ZÜBLIN lautete: Wie bauen wir die möglichst effizient?

Gemeinsam rufen die beiden Partner einen Wettbewerb aus, das Ziel ist ein digitaler Planungsvorgang. Ein Oldenburger Architekturbüro, heute “DIEFabrik“, liefert den viel- versprechenden Ansatz, den die nun drei Partner konsequent weiterentwickeln und zur Anwendungsreife bringen.

„Wer wie wir ständig darüber nachdenkt, wie man noch schlanker und innovativer bauen kann, landet immer wieder beim Prozess der Planung.“
Thomas A. Mohr
Geschäftsführer DIE AG, Berlin

„Die Innovation hinter diesem Ansatz ist, dass wir den Bauprozess vom Ende, vom Produkt her denken“, erklärt Daniel Fleischmann, Leiter des Innendiensts im ZÜBLIN-Bereich Brandenburg/Sachsen-Anhalt. Der Wohnungsgrundriss entsteht in einem 12,5 x 12,5 cm großen Planungsraster, das sich beliebig an die Größe des Bauprojekts anpasst. Die Algorithmen und eine neuronal verknüpfte Datenbank spielen mit den Grundrissen Puzzle, errechnen eine optimale Verteilung der Wohneinheiten, planen die Anordnung und auch einen effektiven und individuellen Zuschnitt der Flächen. In ersten Testeinsätzen verringerte sich dadurch die Gesamtplanungszeit von üblicherweise einem halben Jahr und länger auf weniger als einen Monat.

Die Algorithmen berechnen Grundrisse anhand verschiedener Regeln, beispielsweise:

  • Einhaltung minimaler Bewegungsflächen rund um Möblierungen
  • Minimale Belichtungsflächen im Verhältnis zur Raumgröße
  • Maximale Spannweiten von Decken im Verhältnis zu Mehrkosten beim Bauen
  • Entwicklung eines vorläufigen statischen Systems
  • Genaue Flächenermittlung nach DIN 276 durch bereits hinterlegte Standards für Raummodule
  • Genaue Mengen und Massenangaben für die Kostenvoranschläge
  • Exakte Modellierung der 3D-Geometrie bis hin zu Fußleisten, Steckdosen und Abdichtung
„Die automatisierte Planung lässt mir genug Freiräume, damit ich auch noch gestaltend und mit meinen eigenen Ideen planen kann.“
Nils Klatte
Geschäftsführer DIEfabrik, Oldenburg

Die digitalen Bausteine erzeugen bei den Beteiligten aber mittlerweile noch viel mehr Fantasie, wie Till Ackers ausführt:

„Was wäre, wenn wir Teile dieser Einheiten als kleinsten gemeinsamen Nenner der Produktion, nämlich unsere Taktbereiche, auch noch mit anderen Daten versehen könnten. Oder damit weitere Informationen für den Bau abbilden, Materialdaten, Bauteilkataloge, Termine, Kosten, sogar der CO2-Footprint – kurzum alles, was der digitale Bauprozess an Daten generiert?“

Die Antworten liegen quasi auf dem Tisch.

ZÜBLIN wird damit von der Baufirma auch zum Planer. „Wir kommen endlich dahin, wo wir hinmüssen, wenn wir effizient bauen wollen“, sagt Fleischmann. Vor allem aber begeistert ihn der systemische Gedanke: „Nicht seriell, nicht modular – systemisch müssen wir denken, in Zukunft eine standardisierte Individualität planen und bauen.“ Das bedeutet für Fleischmann dann: „Wir müssen das große Ganze sehen. Nicht einzeln in BIM, LEAN, Taktsteuerung oder Bauteil-Tracking denken, sondern alles zusammen als ein System verstehen und nutzen.“

Dann wird aus einem ZÜBLIN-Gebäude vielleicht eine Marke, hinter der alle in der Branche nicht nur das Bauwerk, sondern auch den digitalen Prozess sehen. Noch ist das Team nicht so weit, dass diese Idee vollständig umsetzbar wäre. „Wir entwickeln bisher nur Werkzeuge, nicht das nötige Ökosystem“, sagt Fleischmann. „Wir wissen aber, was uns in zehn Jahren erwartet, wie wir dann bauen werden – und suchen jetzt den Weg, wie wir am effizientesten dahinkommen.“