Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit liegt der Bau von Wohnhochhäusern im Trend. Und im Gegensatz zu Bürogebäuden sind Balkone dabei stark gefragt.
Dipl.-Ing. Martin Benz
Dipl.-Ing. Martin Benz
Gruppenleiter Technisches Büro Konstruktiver Ingenieurbau

Diese Anforderung aber stellt die Konstruktion vor neue Herausforderungen: Schalung bzw. Montage in großer Höhe und das möglichst ohne Fassadengerüst. Gleichzeitig stellen die Balkone ein Hindernis für die Ausbildung und Montage der Fassade dar.

Hintergrund

Am Beispiel des GrandTowers in Frankfurt ist ersichtlich, dass bisher keine schnelle und praktische Lösung für den Bau von Balkonen an Hochhausfassaden vorliegt. In diesem Projekt wurden die Balkone vorab als Ortbeton-Konstruktion mit den Geschossdecken hergestellt und dabei aufwendig unterrüstet. Im Anschluss mussten die Fassadenelemente zwischen die vorhandenen Balkone eingehoben und umständlich an die Betonbauteile montiert werden. Diese Bauweise war beeinträchtigend für einen zügigen Bauablauf in den Gewerken Roh- bzw. Ausbau und Fassade.

Aufwändige Montage der Fassade am GrandTower in Frankfurt am Main

Ziel

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, eine montagefreundliche und kostengünstige Lösung zur Realisierung von Balkonen im Hochhausbau zu entwickeln. Dabei sollen die Balkone als Fertigteile in einem Arbeitsschritt mit der Fassade montiert werden.

Damit der Anschlusspunkt wirtschaftlich ausführbar ist, wird ein sehr leichter Balkon entworfen: Die Tragplatte wird in UHPC mit einer Stärke von 5 cm geplant, wobei der Beton oberflächenfertig ist und damit weder Belag noch Beschichtung benötigt. Die Balkonplatte wird konstruktiv mit Carbon-Matten bewehrt, um die Tragsicherheit und die Duktilität des Bauteils zu erhöhen. Gelagert wird sie auf rechteckigen Stegen, welche die Fassade punktuell durchdringen. Die Durchdringung wird mit entsprechenden Fassadenprofilen angedichtet.

Besonders komplex ist die Herausforderung am Anschlusspunkt des Fertigteils: Unter dem hohen Einspannmoment – bedingt durch die Auskragung der Balkone – gilt es, die Durchdringung der Dämmebene bauphysikalisch (Abdichtung und Dämmung) zu lösen.

Für den Anschluss wurden zwei Varianten entwickelt, Variante A ist für Geschossdecken mit der Mindeststärke von 25 cm konzipiert, während Variante B bei bis zu 15 cm dünnen Decken zum Einsatz kommt.

Variante A

Bei der Variante A handelt es sich um einen stirnseitigen Anschluss am Deckenrand. Dabei wird das am Fertigteilbalkon angebrachte Stahleinbauteil mit der Bewehrung im Bereich der ausgesparten Decke verschweißt. Um die Tragfähigkeit im Endzustand zu erreichen, wird der Auflagerpunkt mit Vergussmörtel verfüllt.


Detaillösung für Anschluss Fertigteilbalkon an Geschossdecke Variante A

Variante B

Die Variante B basiert auf einer Verlängerung des Fertigteilbalkons durch einen Stahlträger. Dieser wird auf die Oberseite der Decke gelegt und angedübelt. Für den Toleranzausgleich sind ca. 3 cm tiefe Deckenschlitze mit nachträglichem Verguss vorgesehen.


Detaillösung für Anschluss Fertigteilbalkon an Geschossdecke Variante B

Die Lösung

Der Anschluss der Balkone bildet wegen der durchgehenden Stahlbauteile punktuelle Wärmebrücken. Aus diesem Grund und zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes ist im Durchdringungsbereich Edelstahl zu verwenden. 3D- Temperaturfeldberechnungen haben gezeigt, dass bei entsprechender Dämmung der Knoten bauphysikalisch nachweisbar ist. Die Bauteiltemperaturen auf der Innenseite sind ausreichend hoch, um Tau- bzw. Schimmelbildung zu verhindern.

Im Rahmen dieses F&E-Projekts ist es gelungen, einen schlüssigen Entwurf zu entwickeln. Basierend auf typischen Geometrien von Balkonen und Fassadenanschlüssen sind alle wichtigen Themen, behandelt und konzeptionell gelöst worden – von der Tragfähigkeit über die Dämmung bis hin zur Abdichtung.

Im Fokus der Arbeit stand die Tragfähigkeit des Fertigteilbalkons und dessen Anschluss an den Rohbau. Durch den Einsatz von UHPC wurde eine sehr schlanke und leichte Balkonkonstruktion realisiert, sowie ein Anschluss entwickelt, der die Anforderungen hinsichtlich Tragfähigkeit und Durchbringung der Fassade erfüllt.

Eine ausgereifte Systemlösung für die nachträgliche Montage von Fertigteilbalkonen in Kombination mit der Fassade kann eine Schlüsseltechnologie für den Bau von Wohnhochhäuser werden und damit einen klaren Wettbewerbsvorteil bringen. Die bisherigen Studien zeigen die grundsätzliche Machbarkeit. Eine ausführungsreife Konstruktion wäre im Einzelfall unter Berücksichtigung der vorherrschenden Geometrie und weiteren projektspezifischen Aspekte zu entwickeln.

Visualisierung Fertigteilbalkon

Ein reales Beispiel, bei dem Fertigteilbalkone zum Einsatz hätten kommen können, wäre der Henninger Turm in Frankfurt am Main gewesen.

Montage der Fassade am Henninger Turm