Digitale Innovationen machen Baustellen nicht nur effizienter, sondern auch sicherer. Wir stellen zwei Beispiele vor, wie das gelingt.

1 Verbundforschungsprojekt DigiRAB – „Sicheres Arbeiten auf der digitalisierten Baustelle“

In der Bauindustrie sind vor allem gewerbliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter höheren Gefahren ausgesetzt. Allein auf den Baustellen in Deutschland werden jährlich mehr als 100.000 Arbeitsunfälle gezählt. Diese Zahl signifikant zu minimieren, war das Ziel eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds geförderten Forschungsprojekts zu neuen digitalen Assistenzsystemen, mit denen sich die Arbeitssicherheit verbessern lässt.

Ergebnis des dreijährigen Forschungsvorhabens, in dem ZÜBLIN als Praxispartner beteiligt war, ist eine Cloud-basierte Plattform. Sie kombiniert und integriert die digitale Planung zur Gefahrenprävention, das automatisierte Warnen, Melden und Auswerten von Beinahe-Unfällen in Echtzeit sowie personalisierte VR-Anwendungen für realitätsnahe Sicherheitsschulungen. Das Projekt gliederte sich in drei Handlungsbereiche:

  • Sicher Planen
  • Proaktiv Warnen
  • Personalisiert Lernen und Schulen

Beispiele für von den DigiRAB-Partnern entwickelte Assistenzwerkzeuge:

Der Rule-Checker

Der Rule-Checking-Algorithmus analysiert bestehende BIM-Modelle und unterbreitet regelbasiert Vorschläge für nötige Sicherheitsmaßnahmen. Eine weitere Anwendung ist ein teilautomatisiert erstellter 4D-Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Plan zur digitalen Gefährdungsbeurteilung. Zusammen mit dem BIM-Analyse-Algorithmus kann dieses Tool auch für die Baustelleneinrichtungsplanung genutzt werden.

Digitales Warnsystem

Bei diesem mobilen Person Detection System (PDS) werden mit RFID-Technik ausgestattete Sensoren an Baumaschinen angebracht. Sie interagieren mit Personen-Sendern des Baustellenpersonals und warnen im Gefahrenfall optisch und akustisch. Denkbar ist auch, künftig eine Schnittstelle zum Bussystem der Baumaschine zu entwickeln, um diese bei gefährlichen Annäherungen automatisch zu verlangsamen oder zu stoppen. Die Daten der gefährdungsrelevanten Ereignisse werden unter Einhaltung der Vorgaben zum Schutz von personenbezogenen Daten in Echtzeit erfasst, um die Geoposition ergänzt und zur Dokumentation und Analyse über die Cloud mit der BIM-Software verknüpft.

Schulungen im virtuellen Raum

Simulationen mit Technologien der Virtual Reality (VR) und Augmented Virtuality (AV) erlauben praxisnahe Arbeitssicherheitsschulungen. Der Umgang mit echten Handwerk- zeugen wie Winkelschleifern kann dabei sicher abseits der Baustelle im virtuellen Raum geschult werden. Gefahren und Risiken einer Fehlbedienung lassen sich wirklichkeitsnah, aber risikolos veranschaulichen.

„Derzeit werden die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Planung und Umsetzung der Arbeitssicherheit in Bauprojekten noch nicht voll genutzt. In DigiRAB zeigen wir Wege auf, wie sich das Potenzial von Building Information Modelling (BIM) und LEAN Construction auch gezielt für die Belange der Arbeitssicherheit heben lässt.“

Dr. Ian Quirke
ZÜBLIN-Direktion Mitte, Stabsbereichsleiter Technische Innendienste

Projektpartner

  • Ruhr-Universität Bochum
  • ZÜBLIN
  • Topcon Deutschland Positioning GmbH
  • thinkproject Deutschland GmbH
  • Selectronic Funk- und Sicherheitstechnik GmbH
  • (BG Bau und HILTI als assoziierte Partner)

Laufzeit

4/2017 bis 3/2020

2 Die App für standardisierte Sicherheitsbegehungen von Baustellen und Arbeitsstätten

Die von ZÜBLIN entwickelte App soll die Dokumentation von Baubegehungen er- leichtern und dadurch mehr Akzeptanz und Übersicht schaffen. Sicheres Arbeiten ist ein ausdrücklich durch den Vorstand formuliertes Ziel und gilt konzernweit für alle Mitarbeitenden. In einer neuen Konzernrichtlinie wurden für regelmäßige Sicherheitsbegehungen länderübergreifend Rahmenbedingungen zu einheitlichen Checklisten, Inhalt und Ablauf festgelegt.

Nichts vergessen? Mit der neuen App für Sicherheitsbegehungen wird konzernweit nach einheitlichen Kriterien geprüft.

Bisher wurden Sicherheitsbegehungen von einem „Papierprozess“ mit wenig Möglichkeiten zur systematischen Auswertung begleitet. Seit 2018 ist nun eine App mit mehreren Begehungsprotokollen im Einsatz: Bei Sicherheitsbegehungen können damit zum Beispiel Projektdaten aus Konzernsystemen übernommen werden; die zeitaufwendige und fehleranfällige manuelle Eingabe entfällt. Eine Fotofunktion bettet entsprechende Aufnahmen gleich an der richtigen Stelle im Protokoll ein, das Überspielen von Bildern ist nicht mehr nötig. Zudem ist eine Diktierfunktion eingerichtet. Mit der App haben Anwenderinnen und Anwender auf der Baustelle immer eine aktuelle Version des Formulars „in der Hosentasche“.

Die App gibt für jede Zielgruppe konzernweit Fragen und Themen vor, sodass nach einheitlichen Kriterien geprüft und nichts vergessen wird. Die Ergebnisse und daraus abzuleitende Trends können nach Eingabe der Daten in einem Dashboard sofort angesehen werden. Proaktives Handeln statt rückblickendes Auswerten wird damit möglich. Aus toten Daten auf Papierchecklisten wird interaktives Datenmaterial zur Evaluierung von Stärken, Schwerpunktaktionen und Handlungsbedarfen. Die App für Sicherheitsbegehungen wurde in enger Abstimmung mit operativen Einheiten auf den Baustellen, dem Management sowie dem Team der konzerneigenen Softwareschmiede ITC Engineering in einem agilen Prozess entwickelt und auf operativen Pilotbaustellen erprobt.

Sie ist inzwischen in 13 Länderversionen nutzbar und wurde auf circa 8.000 Baustellen mehr als 55.000 Mal genutzt. Das interaktive Dashboard verein- facht den Prozess, fördert das Erkennen von Verbesserungspotenzialen und trägt zur Rechtssicherheit bei. Nicht zuletzt erhöht die Anwendung als wichtige Entscheidungshilfe bei allen Verantwortlichen das Verständnis für die Belange der Arbeitssicherheit.

Entwicklungsteam

Konzernstabsstelle SGU, Dr. Günter Voss Stabsstelle SGU AT, Jochen Berger Direktion ITC Software Engineering, Dr. Jens-Peter Grunau