Wenn wir es nicht als Erste machen, macht es jemand anders
Bis Ende 2021 sollen alle STRABAG-Verkehrswegebaueinheiten in Deutschland Schüttflix nutzen. Die App für die Ver- und Entsorgung sowie Logistik von Schüttgütern ermöglicht digitale Bestellungen, Preisvergleiche, Livetracking der Lieferungen und die papierlose Vertragsabwicklung. Das Start-up will als erster Anbieter deutschlandweit alle gängigen Schüttgüter zu transparenten Preisen liefern.
STRABAG erkannte das Potenzial früh – seit Anfang des Jahres läuft eine Partnerschaft, die 2020 mit einer Pilotphase in Nordrhein-Westfalen begann. In den ersten vier Monaten wickelte STRABAG mehr als 4.000 Schüttgut-Transporte über die neue Plattform ab, bis Jahresende sollen es deutschlandweit mehr als 20.000 sein.
Thomas Nyhsen leitet den Roll-ou der Schüttflix-App für den deutschen Verkehrswegebau. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Schüttflix, Herr Nyhsen?
Im Rahmen der digitalen Transformation schauen wir immer auf Prozesse, die Zeit kosten und kaum Wertschöpfung generieren. Bestellungen und Lieferungen von Schüttgut sind dafür ein Paradebeispiel – sie produzieren stapelweise Papier in Form von Lieferscheinen und Excel-Listen. Der Bestellvorgang bindet viele administrative Ressourcen. Ich war daher vom ersten Moment an vom Digitalisierungspotenzial der Schüttflix-App überzeugt.
Warum?
Diese App bietet dem Verkehrswegebau die Möglichkeit, den Beschaffungsprozess von der Bestellung bis zur Rechnungslegung komplett digital abzubilden. Einen weiteren großen Mehrwert sehe ich im erweiterten Zugriff auf das Transportgeschäft. Das Portfolio im Verkehrswegebau besteht zu rd. 90 % aus Eigenleistung, dementsprechend hoch ist auch unsere Wertschöpfung. Was uns aber fehlt, sind die Transportkapazitäten. Da waren wir abhängig von wenigen großen Playern. Durch die Schüttflix-App nutzen wir nun eine Plattform mit mehr als 2.500 Speditionen und circa 20.000 Lkw. Die Verfügbarkeit von Fahrzeugen steigt enorm, die Abhängigkeit von einzelnen Akteuren sinkt.
Haben Sie ein Beispiel?
Im Zuge des Roll-outs offerierten wir auf der Plattform die Abholung von 400 t Material. In fünf Minuten waren alle Touren von den Transporteurinnen und Transporteuren gezogen, mit einem Preisvorteil für uns. Es geht aber nicht nur um Schnelligkeit oder einen monetären Vorteil. Wenn die am Markt vorhandenen Transportvolumina effizienter genutzt werden, entstehen weniger Leerfahrten, wodurch eine Reduzierung von CO2-Emissionen erreicht wird. Somit leisten wir auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.

von STRABAG (links) empfangen einen Schüttflix-Transport. STRABAG erkannte frühzeitig das Potenzial der Schüttflix-Plattform und kooperiert mit dem Start-up.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Schüttflix erlebt, hier treffen ja Konzernstrukturen auf eine Start-up-Kultur?
In der Zusammenarbeit mit einem Start-up habe ich neue, effiziente Methoden zur Einführung von Innovationen kennengelernt. Ein entscheidender Vorteil ist, dass wir als Anwendende mit dem Entwicklungs- und Programmierteam an einem Tisch sitzen.
So lassen sich unsere Bedürfnisse und Anforderungen diskutieren. Schüttflix ist eine offene Marktlösung, für STRABAG haben wir gemeinsam eine passende Anwendungentwickelt, sehr agil und ohne Lastenheft. Prototypen haben wir schnell in der Praxis erprobt und bewertet. Für gut befundene Piloten werden weiterentwickelt, alles andere kommt ‚in die Tonne‛ – egal, wie viel bereits investiert wurde.
Wie muss man sich diesen Prozess vorstellen?
Wir haben die Schüttflix-App in einer Pilotphase in NRW intensiv getestet und analysiert, wie und bei welchen Prozessen diese Anwendung unserem Unternehmen weiteren Mehrwertbringt. In kürzester Zeit identifizierten und entwickelten wir gemeinsam zwei neue Prozesstypen, das Transport- und das Projektgeschäft.
Tempo war Ihnen wichtig?
Natürlich, darum geht es heute doch immer. Wenn wir es nicht als Erste machen, macht es jemand anders und hat den Wettbewerbsvorteil.
Haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgezogen?
Ich baue die Teams immer so auf, dass vor allem Leidenschaft und Expertise zählen – nicht zuerst Hierarchie oder Stellung im Unternehmen. Die Leute sollen Lust auf die Aufgabe haben. So war es auch bei diesem Projekt, denn Ziel und Mehrwert waren für alle von Anfang an klar kommuniziert.
Was kommt in der Zukunft?
Wir wollen die Schüttflix-Plattform auch für andere Materialien öffnen. Asphaltmischgut zum Beispiel, davon bewegt allein der Verkehrswegebau in Deutschland jährlich bis zu 6 Mio. t. Das wird ambitionierter, denn im Gegensatz zu Schüttgut hat hierfür nicht jede Transportfirma die nötige Qualifikation. Außerdem wollen wir noch nachhaltiger werden und Transporte auch per Bahn und ggf. per Schiff realisieren und nur die letzte Meile mit Lkws. Darüber hinaus soll die Plattform unter Regie der STRABAG Innovation & Digitalisation zukünftig auch weiteren Konzernländern zur Verfügung stehen.
Schüttflix tritt nun in ein Geschäft ein, in dem der Verkehrswegebau der STRABAG häufig über Jahre gewachsene Partnerschaften pflegt. Will STRABAG diese tatsächlich aufgeben?
Nein, darum geht es gar nicht. Die Partnerschaften pflegen wir weiterhin, aber eben nun in einem komplett digitalen Prozess.
Die Baustellenreporterin

Wie läuft die Anwendung der Schüttflix- App in der Praxis? Was sagen die Anwenderinnen und Anwender? Diese Fragen stellt Fabienne Zilken regelmäßig vor Ort auf der Baustelle. Die Bauleiterin hat neben ihrer täglichen Arbeit in der Direktion NRW während des Roll-outs die Rolle der Schüttflix-Reporterin übernommen. Sie besucht Kolleginnen und Kollegen auf den Baustellen, filmt kurze Interviews und teilt diese im Intranet. Ziel ist der kollegiale Austausch, das Teilen praktischer Erfahrungen im Umgang mit dem neuen Tool.
Digitale Logistikdrehscheibe
Als Nils Klose vor zwei Jahren als zweiter Geschäftsführer und Chief Revenue Officer zu Schüttflix kam, waren dort 44 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt. Heute sind es mehr als 100, der Umsatz stieg im gleichen Zeitraum von 13 Mio. € auf mehr als 50 Mio. € für das laufende Jahr. Schüttflix entwickelte die deutschlandweit erste digitale Logistikdrehscheibe für die Schüttgutbranche. „Die App verbindet Lieferfirmen und Spediteurebzw. Spediteurinnen direkt mit der Kundenseite, also aus der Baubranche sowie dem Garten- und Landschaftsbau“, erklärt Klose. Mit einem digitalen Preisvergleich und einem digitalen Bestellprozess spart die App vor allem Zeit. Außerdem werden durch diese Verknüpfung von Angebot und Nachfrage tausende Leerfahrten auf Deutschlands Autobahnen vermieden. Die Anwendung ist für das Smartphone konzipiert, „eine Bestellung soll so einfach sein wie das Schreiben einer Chat-Nachricht“, sagt Nils Klose.

Mit STRABAG als Partnerin habe das Unternehmen einen großen Sprung machen können. „Wir bleiben zwar marktneutral und unabhängig, haben viele weitere große und kleine Kunden, aber mit STRABAG an der Seite konnten wir unser Netzwerk ausbauen und erhielten hilfreiches Feedback für die Weiterentwicklung der App“, sagt Klose.